Adblocker von Google: Vorstoß in eigener Sache?

Mit der Integration eines Werbeblockers in seinen Browser könnte Google noch mehr Kontrolle über den digitalen Werbemarkt erlangen.

Die Ankündigung von Google, ab 2018 einen Adblocker in den hauseigenen Browser Chrome zu integrieren, hat das Thema Werbeblockade um eine pikante Dimension erweitert. Der Marktführer im digitalen Werbe- und Suchmaschinenmarkt könnte damit selbst zur zentralen Schaltstelle werden, die entscheidet, welche Werbung die Nutzer von Internetangeboten zu sehen bekommen und welche ausgeblendet wird. 

Adblocker gefährden Online-Geschäftsmodell

Adblocking erhitzt nicht erst seit dem Vorstoß von Google die Gemüter der Branche. Inhalteanbieter im Web sind zur Finanzierung ihrer Angebote auf Werbeerlöse angewiesen. Wer verhindert, dass gebuchte Werbung auch ausgespielt wird, gefährdet dieses Online-Geschäftsmodell. Aus Sicht der Publisher sind Adblock-Anbieter daher „erpresserische Geschäftemacher, die unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes auf dem Rücken der Inhalteanbieter Profit erzielen“, so Dietmar  Wolff, Hauptgeschäftsführer des Zeitungsverlegerverbandes BDZV. Dagegen führen Anbieter der Werbeblocker-Software wie das Kölner Unternehmen Eyeo ins Feld, Nutzer lediglich vor nerviger und aufdringlicher Onlinewerbung zu schützen.

Dabei ist das Geschäftsmodell der Adblocker-Betreiber mitnichten uneigennützig. Wenn Unternehmen sich auf deren „Whitelist“ einkaufen, wird ihre Werbung – gegen Gebühr – trotz aktivierter Werbeblockade auf den Bildschirmen ausgespielt. „Im Grund machen nun die Adblocker das Werbegeschäft, allerdings ohne irgendeine eigene Leistungserbringung – die kommt ja von den Medien“, so Wolff. Nicht nur Publisher, auch die Werbewirtschaft bewertet dieses Geschäftsgebaren kritisch. Stefan Schumacher vom Online-Vermarkterkreis OVK im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW): „Adblocking ist ein ernstzunehmendes Problem, dessen Auswirkungen leider weit über die Grenzen der Werbebranche hinausgehen und die Finanzierung kostenfrei zugänglicher Inhalte im Internet gefährdet.“

„Coalition for better ads“

Ohne Frage sind Internetnutzer von manchen Werbeformen tatsächlich genervt – und blenden sie zunehmend aus. Im ersten Quartal 2017 lag der Anteil der auf Desktop-PCs geblockten Werbeeinblendungen in Deutschland bei knapp 20 Prozent. Das Forschungsunternehmen E-Marketer prognostiziert, dass Ende kommenden Jahres ein Viertel der deutschen Bevölkerung einen Adblocker nutzen wird. Nicht zuletzt diese zunehmende Werbeblockade hat führende Unternehmen der Digitalbranche dazu veranlasst, mit der „Coalition for Better Ads“ im Herbst vergangenen Jahres eine Initiative zu starten, um Onlinewerbung besser – sprich: für den Nutzer weniger nervig – zu machen. Das Ziel sind globale Standards für gute Onlinewerbung. Beteiligt sind die Großen der Branche: Werbungtreibende wie Procter & Gamble und Unilever, Publisher wie die Washington Post, Verbände, Mediaagenturen und nicht zuletzt die US-Digitalgiganten Google und Facebook.

Mit der Ankündigung eines eigenen Adblockers bringt Google nun alle Beteiligten in Zugzwang. „Bad Ads“ soll Chrome künftig ausfiltern und macht damit den weltweit größten Onlinevermarkter selbst zur Schaltstelle für weitgehende Werbevorgaben. Die Reaktionen der Branche sind abwartend bis kritisch. Der BDZV bewertet den Vorstoß als „heuchlerisch“: „Mit dem Plugin sollen dem Vernehmen nach die schlimmsten Anzeigen entfernt werden, aber wohl kaum die eigenen Google-Ads. Es geht aus Sicht des BDZV vielmehr um Macht und Kontrolle über den Werbeblockermarkt, über Website-Betreiber und Werbekunden.“ In der Konsequenz schaffe das neue Abhängigkeiten bei Werbekunden und Websitebetreibern.

Keine störenden Werbeformate

Bereits heute lehnen viele Zeitungswebsites digitale Werbeformate ab, die das Leseerlebnis behindern. Als Qualitätsanbieter von relevanten Inhalten und wirksamer Werbung habe sich auch DuMont bisher stets gegen digitale Werbeformate entschieden, die den Nutzer stören, so Patrick Wölke, Geschäftsführer DuMont Net. „Dass besonders störende Formate nun auch in der Breite zunehmend verhindert werden sollen, trägt zur Qualität des Ökosystems Online bei, was ich ausdrücklich begrüße. Dass gerade Google als Nahezu-Monopolist in Sachen Onlinewerbung jetzt zum Adblocker-Anbieter wird und auf diesem Wege Druck auf die Publisher ausübt, werden wir kritisch beobachten.“   

Digitale Werbeeinnahmen finanzieren Qualitätsinhalte

Wenn Google nur die aufdringlichsten Werbeformate unterdrückt, z.B. Pop-up-Ads, die den Inhalt einer Website überlagern, automatisch startende Videos mit Ton oder Prestitials, die der eigentlichen Site vorgeschaltet sind, sieht F.A.Z.-Geschäftsführer Thomas Lindner darin auch eine Chance für Qualitätsanbieter: „Anzeigen sind eine maßgebliche Einnahmequelle von FAZ.NET. Wir verwenden nur Werbeformen, die nach den Standards der Coaltion for Better Ads die Nutzer nicht stören. In diesem Zusammenhang erhoffen wir uns von der Google-Initiative einen geringeren Einsatz von frei installierbaren Adblockern, die jegliche Werbung blockieren – denn diese blockieren einen wichtigen Teil der Finanzierung und gefährden damit qualitativ hochwertigen Journalismus an sich.“

Dass Google sich mit dem eigenen Adblocker auch selbst unabhängiger macht von Drittanbietern, die sämtliche Werbung – und damit auch Google-Anzeigen – blockieren, liegt auf der Hand. Eine Gretchenfrage wird daher sein, wer darüber entscheidet, welche Werbeformate getilgt werden. Wenn künftig browserseitig als schlecht definierte Werbung nicht mehr ausgeliefert werde, erhöhe das einerseits den Druck auf die Branche, biete aber andererseits die Chance, dass sich die Bemühungen um bessere Werbung schneller im Markt durchsetzen, meint Oliver von Wersch, Leiter des Labs Better Ads im BVDW. „Vorausgesetzt, die Kriterien dafür werden durch Marktteilnehmer aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette in der Coalition for Better Ads definiert.“ Schließlich verfolgen alle Beteiligten dasselbe Ziel: Objektiv gute und von den Nutzern akzeptierte Werbung.