„Das Digitale muss in der DNA verankert sein“
„Die Zeiten wandeln sich“. Was das Medienhaus Schleswig Holsteinischer Zeitungsverlag in seiner Selbstdarstellung schreibt, spüren alle Verlagshäuser. Die Uhr für den Wandel in digitalen Zeiten tickt ein wenig schneller, als es das größte Verlagshaus im Norden der Republik in seiner 150-jährigen Geschichte bislang erlebt hat. Aber beim sh:z hat man die Zeichen der digitalen Zeit früh erkannt. Und geht selbstbewusst die neuen Möglichkeiten der Vermarktung an. Wie die aussehen, beschreiben Nicolas L. Fromm und Nadine Rosenkranz, die die digitale Vermarktung des Medienhauses verantworten.
Verlagshäuser befinden sich mitten im Transformationsprozess. Was sind aus Ihrer Erfahrung die wichtigsten Faktoren, um diesen Weg erfolgreich zu bestehen?
Rosenkranz: Wir können als Verlagshaus den Transformationsprozess nur erfolgreich gestalten, wenn wir über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Wir schauen uns funktionierende Modelle an und prüfen, wie wir solche Ansätze im eigenen Unternehmen integrieren können. Das heißt ganz konkret, dass wir auch unsere internen Organisationsstrukturen anpassen müssen. Verlagshäuser haben eine quasi historisch gewachsene Struktur und die ist vielleicht nicht immer mit der Zeit gegangen. Jetzt sind Anpassungsprozesse nötig.
Fromm: Wichtig ist, dass der Digitalbereich kein Stand-Alone im Unternehmen ist, sondern tief integriert. Wir brauchen den Schulterschluss mit allen Verlagsbereichen. Wenn man „Digital“ als eine Unit innerhalb des Verlages betrachtet, ist eine erfolgreiche Marktentwicklung eigentlich schon zum Scheitern verurteilt. Das Digitale muss eingewoben sein in die DNA des gesamten Verlages.
Welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Vermarktung?
Fromm: Die Vermarktung stellt auch an unsere Mediaberater komplett neue Anforderungen. Wir brauchen Profis. Das Investment in unsere Mitarbeiter ist überhaupt erst die Voraussetzung, um in den Transformationsprozess einzusteigen. Deshalb sind qualifizierte Mitarbeiter definitiv einer der Erfolgsfaktoren. Ging es früher vielleicht um den schnellen Abschluss beim Kunden, geht es uns heute darum, die Bedürfnisse des Kunden zu erkennen und unsere Mediaberater mit der Kompetenz zu versehen, Kunden optimal zu beraten und gemeinsam mit ihnen Kommunikationslösungen entwickeln.
Rosenkranz: Die Leser- und Kundenbeziehung in den Mittelpunkt zu stellen, ist der Kern des Erfolgs. Wir müssen die Bedürfnisse verstehen und in Produkte umsetzen. Das gilt für Digital Publishing gleichermaßen wie für die Entwicklung individueller Media Solutions für Werbekunden. Der Kunde muss Erfolg haben mit den Kommunikationslösungen, die wir entwickeln. Daran lassen wir uns messen.
Hatte er den Erfolg mit einer Anzeigenkampagne in der Tageszeitung nicht schon immer?
Fromm: Natürlich ist und bleibt die Zeitungsanzeige ein Erfolgsmodell. Aber heute muss ich die Klaviatur als Medienhaus einfach etwas breiter spielen. Wir müssen die klassischen Werbeformen mit innovativen digitalen Formaten kombinieren. Und es bedeutet einen großen Aufbau an Know-how, diese digitale Klaviatur spielen zu können. Unsere Mediaberater leisten weit mehr als nur Anzeigenfläche zu verkaufen. Kampagnen sind für uns nur dann gut, wenn der Kunde mit ihnen den gewünschten Erfolg erzielt. Und nicht, wenn sie uns den höchsten Deckungsbeitrag bringen.
Rosenkranz: Früher waren wir ein Bestandteil des Marketingmixes und dafür verantwortlich, die Message zu transportieren. Heute gestalten wir gemeinsam mit dem Kunden diesen Marketingmix. Das ist ein ganzheitlicher Ansatz. Von der Erarbeitung des Kommunikationsziels über die Definition von Zielgruppen bis zum optimalen Ausspielen der Synergien von analogen und digitalen Kanälen.
Neben der Qualifizierung der Mitarbeiter ist also die Beratungskompetenz und die neue Nähe zum Kunden Ihr Erfolgsrezept?
Fromm: Im Grunde geht es um einen Dreiklang. Zu den beiden genannten Säulen gehört als dritter Faktor die Produktkompetenz. Wir können nur dann erfolgreich sein, wenn wir exzellente Produkte bieten, und zwar in analogen wie digitalen Märkten. Das heißt aber auch, dass wir weiter in unsere Produkte investieren müssen.
Also ist Qualität für Sie ein ausschlaggebendes Kriterium?
Fromm: Ja, und hier sind wir schon sehr gut aufgestellt. Das gilt für die Tageszeitung, aber auch für Digital Publishing. Wir erzielen heute mehr als 10 Prozent unserer Auflage digital. Damit sind wir Vorreiter unter den regionalen Tageszeitungen. Unser ePaper hat 23.000 Abonnenten. Und wir nehmen die Nutzung sehr genau unter die Lupe: Mehr als 12 Minuten durchschnittliche Lesedauer, hart gemessen, zeigen, dass das ePaper intensiv und loyal genutzt wird. Nur wenn ein Produkt für den Leser in der täglichen Nutzung unverzichtbar ist, wird er dauerhaft eine Zahlungsbereitschaft dafür haben. Das ist unser Maßstab für künftige Produktentwicklungen. Dafür müssen wir noch viel genauer wissen, wer unsere Zielgruppen sind.
Stichwort Big Data: Die Nutzung Ihrer digitalen Produkte können Sie sehr konkret über Kennzahlen und Messgrößen abbilden. Welches Potenzial sehen Sie hier?
Fromm: Schon heute haben wir Dashboards, über die wir uns ganz genau anschauen, wann und wie unsere Titel genutzt werden, welche Umfelder gut funktionieren. Die Analyse von Nutzerdaten ist ganz essentiell. Mit Big Data beschäftigen wir uns gedanklich und versuchen, daraus erste Ableitungen für die Zukunft zu ziehen. Da geht es um Zielgruppen und Userprofile und nicht mehr um die reine Umfeldvermarktung.
Denken Sie so weit, auf Ihren digitalen Plattformen userspezifische Inhalte auszuliefern?
Rosenkranz: Nicht nur userspezifische Inhalte, auch userspezifische Produkte und Werbung. Wir werden in Zukunft noch mehr Daten analysieren müssen, um Zielgruppen spezifisch zu erreichen.
Wo sehen Sie die größten Wachstumspotenziale für die Vermarktung?
Fromm: Das größte Wachstumspotenzial liegt mit Sicherheit in der Paketvermarktung. Wir möchten den Kunden individuelle Pakete bieten, in denen nicht nur Print enthalten ist, sondern die eine komplette Kommunikationslösung beinhalten. Das heißt aber auch, dass wir noch tiefer in die Wertschöpfung rein müssen. Und das geht nur, wenn wir unseren Leser-Zielgruppen das bestmögliche Produkterlebnis bieten.
Welche Ideen haben Sie zur Ansprache der jungen Zielgruppen?
Fromm: Unsere jüngsten Zielgruppen sind die, die auf unseren Social-Media-Kanälen, vor allem Facebook, unterwegs sind. Schon heute kommen über 20 Prozent unseres Traffics auf shz.de über Facebook. Wir reden über 100.000 Facebook-Fans. Das ist nicht nur ein wichtiger Traffic-Lieferant, das zeigt auch eine starke Markenbindung und eine höhere Loyalität, als sie Google News mit einem Klick zu einem Thema liefert. Uns ist wichtig, dass die Jungen sehr früh und sehr intensiv mit unserer Marke in Kontakt kommen - und dass wir ihnen einen Mehrwert bieten.
Rosenkranz: Diesen Mehrwert müssen letztlich alle unsere Produkte bieten. Wir arbeiten gerade sehr intensiv an der Frage des zukünftigen Produktmixes. Unsere Kernkompetenz sind lokale und regionale Nachrichten. Aber künftige Digitalprodukte können durchaus darüber hinausgehen. Themenspezifische Inhalte, Ratgeber- und Service-Apps – Produkte, für die künftig unsere Leser auch bereit sein werden zu zahlen. Am Markt erfolgreich sein wird aber nur das, was Bedürfnisse exakt bedient, und zwar sowohl die der Nutzer als auch die der Werbekunden. Um Märkte weiterzuentwickeln, müssen wir viel mehr in die Zielgruppen rein. Da sind wir mit unserem Ohr ganz nah am Markt.
Nicolas L. Fromm ist Geschäftsleiter Digitale Medien bei der medien holding:nord GmbH und Geschäftsführer ihrer Digital-Tochter mh:n digital GmbH. Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag sh:z gehört zur medien holding:nord.
Nadine Rosenkranz ist stellvertretende Geschäftsleiterin Digitale Medien und leitet die digitale Vermarktung bei der mh:n digital GmbH.