„Eine Zeitungsanzeige hat Gewicht, Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit“

Maximilian Florian Schöngen, Global Creative Strategist, Creative Board Serviceplan Gruppe für innovative Kommunikation, Hamburg

Maximilian Florian Schöngen ist bei der Serviceplan Gruppe für innovative Kommunikation zuständig. Im Interview mit „Die Zeitungen“ spricht er über Transformationsprozesse bei Medien und Werbung und die besondere Wirkung einer Zeitungsanzeige.

Medien und Werbung befinden sich im Umbruch, es wird auch gerne von Transformationsprozess gesprochen. In welcher Rolle sehen Sie in diesem Zusammenhang Zeitungswerbung? 

Slow News & Gravitas. Sicher sind wir in einem Transformationsprozess. Aber das sind wir immer, sonst bleiben wir stehen. Das veränderte Konsumverhalten beeinflusst die Wahrnehmung, stärkt jedoch die Wirkung. Tageszeitungen entwickeln sich immer mehr zu Slow-News. Und damit meine ich keinesfalls langsame Berichterstattung oder Journalismus von gestern, sondern ganz im Gegenteil, dass sich der Leser dafür Zeit nimmt, es würdigt und zu schätzen weiß. Keine reine Nahrungsaufnahme, die wir runterschlingen, um satt zu werden, sondern ein gutes Restaurant, in dem wir Qualität schön drapiert, garniert und angerichtet serviert bekommen. Und da schmeckt einem die Anzeige dazwischen auch ganz anders. Sie wirkt.

Und genau aus diesem Grund bleibt die Zeitungsanzeige auch weiterhin relevant. Denn die Zeitungsanzeige kann etwas, das die anderen Medien nicht bzw. weniger leisten können: Gravitas. Eine Zeitungsanzeige hat Gewicht, Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit. Ein gewisses Maß an moralischer Strenge und vermittelt Verantwortung vor der Aufgabe.  

Warum glauben Sie, dass alle großen Digitalen prominent in der Tageszeitung werben? Weil sie durch die Seriosität der Tageszeitung ihre eigene Glaubwürdigkeit unterstreichen wollen. Interessant wird es aber erst dann, wenn durch Kreativität und eine gute Idee aus Reklame gute Werbung wird.

Welche Zeitungskampagne hat Sie nachhaltig beeindruckt?

Hier kann man (noch) nicht wirklich von nachhaltig sprechen, da diese Anzeige gerade erst drei Tage alt ist, aber sie ist ein Bilderbuchbeispiel dafür, wie man auch in einem vermeintlich nicht innovativen Medium innovativ sein kann. Die finnische Genossenschaft HOK-Elanto hat zusammen mit der Tageszeitung Helsinging Sanomat eine Anzeige entwickelt, um eindrucksvoll, dennoch subtil, die Finnen darauf zu sensibilisieren, auch nach den Lockerungen weiterhin Abstand zu halten. Mit einem einfachen visuellen Trick lernt und erfährt der Betrachter sofort am eigenen Leib, wie weit weit genug ist.

Welche Perspektiven sehen Sie für die Zeitungsanzeige – sei es in Print- oder digitaler Form im crossmedialen Zusammenspiel?

Im crossmedialen Zusammenspiel werden Zeitungsanzeigen immer eine Rolle haben. Die, die sie auch bislang innehatten: Gravitas. Sucht eine Kampagne Gewicht, Bedeutung, gesellschaftliche Relevanz, Glaubwürdigkeit, dann unterstreicht die Zeitungsanzeige die Botschaft der Kampagne mit genau diesen Attributen.

Wenn auch in Zukunft die Zeitungsanzeige für Kreativität, Glaubwürdigkeit und ernsthafte Botschaften steht, und auch als solches weiterhin wahrgenommen wird, ist das, meiner Meinung nach, eine durchaus zukunftssichere Perspektive.

Für welche Innovation im Medienbereich sehen Sie eine besondere Chance?

Welcher Kuchen schmeckt am besten? Das kommt immer darauf an, wer ihn probiert. Und so ist es auch mit den Medien. Jedes Medium hat seine Daseinsberechtigung. Damit das auch so bleibt, muss jedes für sich kontinuierlich innovativ gedacht werden. Und dass das geht, wird uns auch kontinuierlich durch herausragende Anzeigen bewiesen. Umdenken, neudenken, überraschen und begeistern. Egal ob Tageszeitung oder TikTok.

Sobald die „wilde“ Corona-Zeit, die uns vielfältige Entbehrungen aufzwingt, vorbei ist: Auf was freuen Sie sich persönlich ganz besonders?

Darauf, dass meine kleine Tochter nicht weiterhin lernen muss Abstand zu halten und jemanden, den sie beim Spielen auf dem Spielplatz kennengelernt hat, auch in den Arm nehmen darf. Das soziale Miteinander oder auch das, was die Experten nachher „interpersonal skills“ nennen, wird in diesen jungen Jahren entdeckt und geprägt. Das, was uns menschlich macht, ist Empathie und Nähe und ich wünsche mir, dass unsere Kinder das auch außerhalb der Familie schnell wieder erfahren dürfen.

Maximilian Florian Schöngen, Global Creative Strategist, Creative Board Serviceplan Gruppe für innovative Kommunikation, Hamburg