"Wir müssen Produkt-besessen werden"

Quelle: Alexander Hassenstein – Gettyimages

Jan Bayer kündigt auf dem Deutschen Medienkongress die Einführung einer „bewussten Reichweite“ als neuen Leistungswert für die Medien an und spricht seiner Branche Mut zu.

Nichts weniger als „Die großen Herausforderungen der Medienindustrie“ hatte sich Jan Bayer, Vorstand News Media International bei Axel Springer, in seiner Keynote zum Deutschen Medienkongress 2019 in Frankfurt vorgeknöpft.

Eine dieser Herausforderungen sei, gerade nach dem Fall Relotius, der Erhalt der Glaubwürdigkeit. Es brauche mehr denn je standfeste Medienunternehmen und Journalisten, die der Wahrheit verpflichtet sind, so Bayer: „Medienunternehmen mit publizistischer Strahlkraft, die die Menschen mit ihren Produkten motivieren und stimulieren.“  Nur Medien, die für ihre Leser und Nutzer ein gutes, engagiertes Produkt machen und damit einen wirklichen Mehrwert für die Menschen bieten, würden überleben.

Einführung einer „bewussten Reichweite“

Wie aber kann der Wert eines publizistischen Produktes für den Nutzer gemessen werden? Dazu wusste Bayer Neues zu berichten. Er kündigte die Einführung einer neuen Messgröße in der Medienforschung an, die derzeit vom Institut für Demoskopie Allensbach erarbeitet werde. Die „bewusste Reichweite“ solle als zusätzlicher Leistungswert eingeführt werden. Mit der „bewussten Reichweite“ soll die qualitative Leistung der einzelnen Medien miteinander vergleichbar werden. Ergänzend zur traditionell gemessenen Reichweite berücksichtigt die neue Messgröße, welche Medienmarken bewusst im Gedächtnis bleiben und welchen Informationswert sie für die Nutzer haben.

Bayer deutete auf dem Deutschen Medienkongress bereits erste Ergebnisse der Allensbach-Studie an. Demnach liegen etablierte Nachrichtenmarken an der Spitze dieser bewussten Reichweite, weil sie den Nutzern die höchste Informationsqualität bieten. Die Nutzer bewerten die Qualität der einzelnen Medienangebote nicht nur unterschiedlich, sie wirke auch differenziert, so Bayer: Die Unterschiede in der Qualitätsbewertung haben Einfluss auf die Werbewirkung dieser Medien.

Für Werbungtreibende dürften die Ergebnisse der Allensbach-Studie und der Leistungswert „bewusste Reichweite“ daher besonders spannend sein. Nachweise für Werbewirkung sind gefragt und beeinflussen die Platzierung von Budgets. Denn dass der Werbemarkt weiter wachse, sei unzweifelhaft, so Bayer, „aber derzeit nur für Google, Facebook und Amazon“.

Mehr Zusammenarbeit der Medienhäuser

Bayer appellierte an seine Branche, sich nicht kleiner zu machen, als sie tatsächlich sei. Mehr Zusammenarbeit der Medienhäuser, mehr gegenseitiges Vertrauen und mehr gemeinsame Lösungen seien ein Weg, an die alten Stärken anzuknüpfen. „Wir dürfen nicht satt, wir müssen hungrig sein“, so Bayer – und das vor allem in Bezug darauf, für die Leser und Nutzer ein wirklich gutes, engagiertes Produkt zu schaffen. Seine Erkenntnis: „Im Grunde wissen wir das alles. Wir müssen es nur auch umsetzen.“