Zeitung bleibt Zeitung - auch im Netz

Zeitungen sind eine der stärksten Mediengattungen, so Boris Schramm. Aber bei den Verlagen sieht er Handlungsbedarf. Eine Replik von Markus Ruppe.

Boris Schramm, Managing Director GroupM, hat kürzlich in einem Interview mit der Fachzeitschrift Horizont einerseits Print gelobt, die Transformationsstrategien der Medienhäuser jedoch kritisiert und der Medienbranche mit seinen Thesen reichlich Diskussionsstoff geliefert. Jetzt hat ZMG-Geschäftsführer Markus Ruppe in einem Gastbeitrag in Horizont zu Schramms Thesen ausführlich Stellung genommen. Hier seine Replik:

These 1: In den meisten Segmenten funktioniert Print hervorragend

Genau. Dieses Wissen sollten Agenturen auch ihren Kunden nicht vorenthalten. Die Wirkungsbelege liegen vor: aus den Trackings des ZMG Media Monitors, aus Best for Tracking und aus der Mediaforschung der Agenturen. Wir unterstützen gerne eine Agenturinitiative gegen die Egalisierung von Kontakten. Herr Schramm stellt richtig fest: Jedes Medium liefert einen speziellen funktionalen Beitrag.

These 2: Printanzeigen liefern einen erstaunlich hohen Wirkungsbeitrag

Erstaunlich ist hier nur das Wort „erstaunlich“. Die Ergebnisse von Werbekampagnen mit Zeitung sind nachgewiesen. Entscheidend ist jedoch, dass mit Instrumenten gemessen wird, die die Wirkung der Zeitung auch adäquat abbilden können.

Deswegen unterstützen und begrüßen die Zeitungen die OWM-Werbewirkungs-Initiative, um die Währungsdiskussion voranzubringen. Wir brauchen mehr Transparenz. Die Initiative wird den Kunden nutzen, sie wird beratungskompetenten Agenturen nützen und sie wird Medien helfen, deren Wirkung sich nicht in TKPs und GRPs erschöpft. Wir unterstützen den Ansatz von Herrn Storch.

These 3: Die Verlage verzeichnen Rückgänge im Vertrieb.

Die Vertriebserlöse steigen kontinuierlich und das seit Jahren. Es gibt wenige Marken, denen das in Zeiten einer derartig intensiven Transformation so gut gelingt wie den Zeitungsverlagen. Trotz der Transformation ist die Gesamtreichweite der Zeitungen über alle Kanäle weitgehend konstant. Der Weiteste Leserkreis ist eher noch größer geworden.

These 4: Kein deutscher Verlag verdient mit digitalem Journalismus relevant Geld.

Doch, zum Beispiel die Zeitungsgruppe Ostfriesland oder die Allgäuer Zeitung verdienen definitiv Geld mit ihren digitalen Produkten. Die Zeitungen folgen dem veränderten Leseverhalten ihrer Leser. Aber sie preschen nicht voraus. Sie bieten keine Angebote an, die nicht verlangt werden. Wenn Interesse besteht und eine Zahlungsbereitschaft vorliegt, dann stehen entsprechende digitale Produkte zur Verfügung.

Einige Verlage sind schon heute recht zufrieden. Sie könnten sich noch mehr vorstellen, aber die Leser müssen auch folgen. Wenn die Leser angefangen haben, die digitalen Angebote der Verlage lieber zu nutzen als die gedruckten, dann werden auch die Erlöse steigen. Aber gedrucktes Zeitungspapier hat seinen Reiz.

These 5: Print und Digital sind völlig unterschiedliche Geschäftsmodelle.

Der Ursprung der Zeitung ist die Nachricht – gedruckt wie digital. In der gedruckten Zeitung habe ich unglaublich schnell einen Überblick und durch das Umfeld sowie die Haptik komme ich zur Ruhe und konzentriere mich auf das, was ich lese – ideal für jede Werbebotschaft.

In der digitalen Zeitung bin ich noch aktueller, kann punktueller vertiefen und kann schnell dem Bedürfnis des digitalen Umfelds nach Emotionalisierung folgen. Ich kann Bewegtbild integrieren und habe sogar einen Rückkanal.

Die Zeitung wird gedruckt und digital in einer extrem aktiven Verfassung genutzt. In einem routinisierten Zeitfenster sauge ich so viele Informationen auf, wie ich kann. Eine Nutzungssituation, die optimale Voraussetzungen bietet, um Handlungsimpulse zu setzen. Nachrichtenumfeld bleibt Nachrichtenumfeld.

These 6: Wenn es gelingt, junge Zielgruppen durch digitale Zusatzangebote zu erreichen, haben die Tageszeitungen eine gute Perspektive.

Jede Generation muss neu mit der Zeitung vertraut gemacht werden. Und jede Generation hat neue Bedürfnisse. Früher brauchte man mehr Bilder und dann mehr Farbe. Jetzt braucht man die digitalen Angebote. Die Verlage haben sich den Bedürfnissen über die letzten 411 Jahre schon öfter erfolgreich angepasst.

Zeitung bleibt Zeitung – auch im Netz. Zählt man die Nutzung von Print und Digital zusammen, erreicht die Zeitung 85,5 Prozent der Bevölkerung – bei den 14- bis 29-Jährigen liegt die Netto-Reichweite sogar bei 86 Prozent. Wir können Herrn Schramm auch hier nur zustimmen: Die Tageszeitungen haben eine gute Perspektive.

Print ist intakt – von den Verlagen lässt sich das dagegen nur begrenzt behaupten. Das war eine der zentralen Aussagen von Boris Schramm, der in einem Interview mit Horizont vor allem das Gattungsmarketing der Branche scharf kritisierte: „In den großen Diskussionen über Währungen, Wirkungsprozesse oder die Sinnhaftigkeit von Technologien ist von den Verlagen kaum etwas Substanzielles zu vernehmen. Und das halte ich für ein echtes Problem.“

Download: Markus Ruppe: Zeitung bleibt Zeitung (HORIZONT, 24/2016)