"Die Nutzer erwarten personalisierte Produkte"

Markus Hofmann, Leiter Digitale Inhalte und stellvertreten der Chefredakteur der BZ / Foto: Miro Dakov

Digitales Wachstum braucht Daten. Aber wie und mit welchen Daten können Verlage ihre redaktionellen Abläufe automatisieren, wie das digitale Nutzererlebnis ihrer Leserinnen und Leser besser – und relevanter – machen? Die Badische Zeitung hat eine eigene „Datenmaschine“ entwickelt, um ihr journalistisches Angebot zu optimieren. Was es mit der badischen Datenstrategie auf sich hat, erläutert Markus Hofmann, Leiter Digitale Inhalte und stellvertretender Chefredakteur der BZ.

Internationale Anerkennung hat sie schon: Als „Bester Einsatz von Daten zur Automatisierung und Personalisierung“ wurde die Datenmaschine der Badischen Zeitung (BZ) im Juni 2021 von der International News Media Association (INMA) mit dem „Global Media Award“ ausgezeichnet.

Was genau ist die BZ-Datenmaschine und wo setzen Sie sie ein?

Die Datenmaschine ist ein digitales Ökosystem, das uns unterstützt, Produktionsprozesse zu automatisieren und unsere digitalen Produkte besser zu machen. Das Prinzip lautet „Mehr Effizienz, mehr Relevanz“. Wir nutzen hierfür die Daten externer Dienstleister wie Piano (Personalisierung), Chartbeat (Echtzeit-Tracking) oder Smartocto (Artikelscore). Diese Daten verwenden wir für eine Vielzahl von Algorithmen und Applikationen, die wir teilweise selbst geschrieben haben – zum Beispiel zur automatischen Erstellung eines geographisch segmentierten Newsletters oder zur Personalisierung von Inhalten.

Haben sich die redaktionellen Abläufe durch den Einsatz der Datenmaschine verändert?

Wir konnten an einigen Stellen die Zahl der zu erledigenden Aufgaben und damit die Last in der Redaktion reduzieren. Ebenso bespielen wir Bereiche unserer Webseite über die Datenmaschine. Wir verwenden Daten unseres Artikelscores, um Module noch besser zu personalisieren – zum Beispiel die Artikel-Empfehlungen am Ende eines Beitrags. Dadurch gelingt es uns, das Engagement der Nutzer zu steigern.

Welche Aufgaben überlassen Sie nicht der Datenmaschine?  

An allen Orten, die maßgeblich das publizistische Profil, die Haltung und die Stimme einer Publikation prägen, entscheiden keine Algorithmen, welche Inhalte sichtbar werden, sondern ausschließlich die Redaktion.

Wie ist das Zusammenspiel zwischen Redaktion und Vertrieb?

Dies ist eine sehr wichtige Schnittstelle. Die Redaktion arbeitet intensiv mit dem Lesermarkt zusammen. Wir haben vor 15 Monaten ein interdisziplinäres Team gegründet, das den Auftrag hat, das digitale Wachstum speziell im Abogeschäft anzutreiben. In diesem Team arbeiten Mitarbeiter aus der Redaktion, aus dem Vertrieb sowie aus der digitalen Produktenwicklung zusammen.

Welche Erkenntnisse haben Sie durch den Einsatz der Datenmaschine gewonnen?

Unterschiedliche Inhalte erfüllen unterschiedliche Funktionen: Traffic, Konversion, Engagement und Loyalisierung. Hier ist unsere Lernkurve noch lange nicht zu Ende. Den richtigen Nutzern zum richtigen Zeitpunkt die passenden Inhalte zu liefern, ist nach wie vor eine Herausforderung, an der wir arbeiten. 

Teilen Sie Ihre Daten und Erkenntnisse auch mit anderen Medienhäusern?

Ja. Die Unternehmensberatung Schickler und die Deutsche Presseagentur dpa haben 2020 eine Initiative namens Drive gestartet, in der aktuell 13 Verlage zusammen arbeiten, um das Geschäft mit Digitalabos nach vorne zu bringen. Hier besteht eine große Transparenz – die Verlage tauschen sich intensiv aus, teilen Erfolgsgeschichten aber auch Flops und gewähren sich gegenseitig Einblicke in die Nutzungsdaten über gemeinsame Dashboards. Dieses Projekt trägt maßgeblich dazu bei, die Einflussfaktoren des digitalen Wachstums besser zu verstehen.

Gab es nach der Einführung der Datenmaschine und den personalisierten Angeboten verstärkt Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern?

Nein – es gab nur ganz vereinzelt Fragen oder Rückmeldungen. Ich vertrete die Auffassung, dass die Nutzer im Jahr 2021 zunehmend erwarten, dass digitale Produkte personalisiert werden. Dies sind die Nutzer von Spotify, Netflix oder YouTube längst gewohnt. Personalisierung trägt auch bei journalistischen Produkten zu einer besseren Relevanz bei.  Das lässt sich leicht durch Daten belegen.