Interview Lothar Müller

"Wir brauchen Kanäle wie die Zeitung, wo Menschen sich Zeit nehmen und konzentriert sind"

Lothar Müller, Creative Director bei Ogilvy & Mather, Frankfurt, erläutert das Erfolgsprinzip "Slo-vertising" und welche Bedeutung die Begriffe Relevanz, Aufmerksamkeit und Abverkauf in einer Zeit der permanenten Reizüberflutung haben.

Wir leben in einer Zeit der ständigen Reizüberflutung. Welche Folgen hat das für die Konzeption einer Kampagne?

Lothar Müller: Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass eine Kampagne ausreichend wahrgenommen wird. Selbst bei ordentlichen Budgets. Man kennt das ja selbst. Man konsumiert täglich enorme Mengen an medialen Inhalten. Aber man selektiert öfter und schneller. Man muss den Leuten schon einen verdammt guten Grund geben, damit sie sich mit Werbung beschäftigen. Das Prinzip Werbedruck ist tot.

Sie meinen, Kampagnen brauchen mehr Relevanz?

Ja, aber nicht im Sinne einer technischen Relevanz. Das erleben wir ja im Netz oft. Angebote oder Botschaften, die die Technologie auf Grund der ihr zur Verfügung stehenden Daten als relevant für mich einstuft. Die aber selten wirklich relevant sind. Ich meine relevante Ideen. Ideen, die auf einer menschlichen Wahrheit basieren, einer Beobachtung. Ideen, die für mich als Konsument von Bedeutung sind, weil sie mich berühren. Und nicht bloß theoretisch passen.

Was bedeutet für Sie Slo-vertising?

Das Ende der rein quantitativen Logik. Je mehr wir messen können, desto mehr wird in messbaren Kategorien gedacht. Desto öfter siegen Zahlen über den Menschenverstand. Aufmerksamkeit lässt sich nicht mechanisch erzeugen. Es geht darum, die Menschen mit etwas zu überraschen oder mit Themen, die sie berühren, auf interessante Art zu spielen. Slo-vertising bedeutet für mich, weniger Brechstange, mehr Idee, mehr Zeit, mehr Fläche.

Ist dafür überhaupt noch Platz in der ganzen Hektik?

Überzeugende Ideen verschaffen sich Platz bzw. die Menschen räumen ihnen Platz ein. Unsere letzte Schöffel-Kampagne hat sich in die Herzen der Zielgruppe gespielt. Der „Ich bin raus“-Gedanke hat einfach einen Nerv getroffen. Dann gab’s Youtube-Views, Facebook-Likes, aber auch Mails und Briefe gingen bei uns ein. Die Kampagne hatte keine Banner, keine Pre-Rolls, kein Seeding.

Läuft man da nicht Gefahr, links und rechts überholt zu werden?

Natürlich muss es ein Mix sein. Ich brauche schnelle, aktivierende Impulse. Vor allem, wenn es um Abverkauf geht. Aber zu allererst brauche ich Aufmerksamkeit. Und die bekomme ich tendenziell eher dort, wo der Lärmpegel niedriger ist. Dazu werden wir immer Kanäle wie die Zeitung brauchen, wo Menschen sich Zeit nehmen und konzentriert sind. Wo nicht nebenher der Second Screen oder das Bügeleisen läuft.

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Slo-vertising - Zeit zu wirken