"Die Tageszeitung ist heute relevanter denn je”

Andrea Becher, Chief Sales Officer der Score Media Group.

Zum 70. Grundgesetz-Jubiläum macht der Zeitungsvermarkter Score Media mit einer Gattungsinitiative auf die Bedeutung der Presse- und Meinungsvielfalt aufmerksam. Andrea Becher, Chief Sales Officer der Score Media Group, betont im Interview die Relevanz der regionalen Tageszeitungen für die Meinungsbildung und als Werbeträger.

Wir feiern 70 Jahre Grundgesetz. Von Beginn an haben die regionalen Tageszeitungen die Geschichte der Bundesrepublik begleitet, eingeordnet, kommentiert. Glauben Sie, dass sich ihre Rolle heute angesichts der neuen Medienkanäle und Informationsmöglichkeiten verändert hat?

Die Rolle der regionalen Tageszeitungen hat sich keineswegs verändert, wohl aber deren Wahrnehmung. Insbesondere für die jüngere Leserschaft ist die Bedeutung der gedruckten Zeitung in den letzten Jahren stark rückläufig und die weitestgehend kostenfreie, digitale Informationsbeschaffung wird bevorzugt. Dabei ist die Rolle der regionalen Tageszeitung als Medium heute relevanter denn je.

Woran machen Sie das fest?

Kein anderes Medium kann nationale und internationale Entwicklungen durch die journalistischen Darstellungsformen sauberer, ausgewogener und besser in den unmittelbaren Lebensraum der Menschen einordnen. Das sollte auf keinen Fall Individuen mit persönlicher Agenda im Netz überlassen werden. In der digitalen Welt schreit alles laut nach Aufmerksamkeit. Die markantesten Schlagzeilen bringen zwar Klickzahlen, aber ein realistisches Abbild der Wirklichkeit bleibt oft auf der Strecke.

Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder betont, dass die Presse- und Meinungsfreiheit des Grundgesetzes unverzichtbar ist für eine lebendige Demokratie und freie Meinungsbildung. Eine ganz wesentliche Säule hierfür ist eine vielfältige Zeitungslandschaft. Sehen Sie diese gefährdet?

In Teilen leider ja. Meinungsbildung setzt gemeinhin voraus, dass sie sich aus mehreren, unterschiedlichen Quellen zusammensetzt. Der Trend geht aktuell leider in eine Richtung, in der Auseinandersetzung und Diskurs weit weniger gesucht werden, als die Bestätigung eigener Weltbilder und die Rechtfertigung eigener Denk- und Verhaltensmuster.

Eine Differenzierung geht im digitalen Zeitalter schnell verloren. Die regionalen Tageszeitungen bieten nach wie vor die Möglichkeit zu einer validen Einordnung. Sie können Information und Meinung gleichzeitig, ohne sie dabei zu vermischen. Meldungen, Nachrichten, Beiträge, Interviews oder Reportagen stehen neben Kommentaren oder Glossen.

Stellt sich die Frage nach der Finanzierung?

Guter Journalismus kostet Geld und das Potenzial derjenigen, die die regionale Tageszeitung am Leben halten, ist nun mal auf die Region begrenzt. So besteht für die Verlage schon heute die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit (gemeinsamer Einkauf, Mantel), um überhaupt in der Lage zu sein, ihre Aufgabe der Berichterstattung mit regionaler und lokaler Relevanz aufrecht zu erhalten. Dort lässt sich nicht kooperieren.

Score Media ist ja auch ein Ergebnis der Zusammenarbeit verschiedener Verlage. Als kleiner Wettbewerber der großen Plattformen sind wir uns sehr darüber im Klaren, dass Demokratie starken Journalismus vor Ort braucht. Auch davon müssen wir die Werbetreibenden überzeugen und deren Potenzial für die regionale Tageszeitung auf nationaler Ebene weiter erschließen und ausbauen.

Schon ein Blick in die USA oder aktuell Ungarn zeigt was passiert, wenn es in weiten Teilen des Landes überhaupt keine regionale Zeitung mehr gibt. Kaum Regulierung lokaler Unternehmen und Behörden und eine weitaus leichtere, manipulative Beeinflussung in Hinblick auf die politische Meinungsbildung.

Was können oder sollten die Medienhäuser selbst tun, um ihre Relevanz im Leser- und Werbemarkt zu behalten?

Als Erstes sollten wir mutiger denken und uns nicht als Auslaufmodell begreifen. Persönlich wünsche ich mir, dass sich die Verlage auf ihre Kernkompetenz, den regionalen und lokalen Journalismus fokussieren. Was passiert hier im öffentlichen Raum, was in der regionalen Wirtschaft, in der Kultur und selbstverständlich im Sport? Das ist und bleibt gerade in einer globalisierten Welt wichtig für die Leser. Hier haben sie ihren Rückzugsraum, hier bewegen sie sich, hier gehen die Kinder in den Verein, in den Kindergarten, die Schule, hier werden Jugendliche erwachsen. Hier werden die Alltagsprobleme deutlich, hier können sie gelöst werden und: hier werden die wichtigen Kaufentscheidungen getroffen!

Dabei müssen die regionalen Tageszeitungen mutig, kompetent und durchaus auch kontrovers das entsprechende Spektrum abbilden. Nur so schaffen sie Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Medienmarke vor Ort.

Welche Rolle spielt digital?

Ein intelligenter Transfer der redaktionellen Angebote in die digitale Welt einschließlich Social Media ist natürlich unumgänglich. Es wird nicht reichen, das gedruckte Angebot eins zu eins zu übertragen. Wie lassen sich mit innovativen Angeboten für die Leser Mehrwerte schaffen, für die sie auch bereit sind zu bezahlen? Live-Streams lokaler Ereignisse, ergänzendes Bewegtbild, größere Fotostrecken oder sinnvolle Verlinkungen zu Hintergrundwissen können das geschriebene Wort ergänzen. Dabei sollte der Fokus auf Angebotsbreite und Verweildauer liegen, statt auf Klickzahlen. So verstärkt man Bindung. Es gibt ja durchaus Verlage in unserem Portfolio, die das sehr gut umsetzen.

Als Vermarkter betont die Score Media Group nicht nur die Bedeutung der Zeitung für die Meinungsbildung, sondern auch ihre Stärken als Werbemedium. Worin liegen die besonderen Vorzüge von Zeitungswerbung im Vergleich mit anderen Werbeträgern?

Flapsig formuliert ist es der Unterschied zwischen dem schnellen Snack unterwegs und einem entspannten Restaurantbesuch, einem gemütlichen Essen mit Freunden oder Familie. Prüfen Sie sich selbst: Ihre Sinne funktionieren ganz anders.

Die gedruckte Zeitung ist ein haptisches Medium mit Fläche zum Austoben und Inspirieren. Die Leser nehmen sich Zeit zur Auseinandersetzung mit der Botschaft. Zeitungen werden heute in ganz anderen Umfeldern gelesen, als digitale Informationen und im Gegensatz zu digitaler Werbung wird sie im Print als Bereicherung wahrgenommen. Kein anderes Medium ist derart in der Lage, nationale Werbebotschaften lokal zu konkretisieren. Es setzt allerdings Kreativität voraus, die Zeitung mit all ihren Möglichkeiten richtig zu nutzen. Da ist sicher noch Optimierungsbedarf. Durch Relevanz erzielt man eine deutlich höhere Werbewirkung als in anderen Printmedien.

Die regionalen Tageszeitungen haben eine attraktive Leserschaft. Bei einem Abonnentenanteil von knapp 90% bieten sie einen kalkulierbaren Durchschnittskontakt – und das bei 27 Millionen Lesern allein in den von uns vermarkteten Titeln. Tag für Tag.

Sehen Sie hier ein Video von Score Media zu 70 Jahren Grundgesetz

Hier geht's zur Score-Media-Kampagnenseite "Demokratie braucht starken Journalismus"